Akteneinsicht

Akteneinsicht
Bezeichnung der Möglichkeit von Parteien im Rechtsleben auf Einblick in die von Amtsstellen geführten Akten.
I. Zivilprozess:Rechtsanspruch auf A. entsteht für  Parteien, für dritte Personen nur bei  Glaubhaftmachung eines besonderen rechtlichen Interesses. Parteien können i.d.R. auch Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften verlangen (§ 299 ZPO).
- Ebenso hinsichtlich der Akten des  Gerichtsvollziehers im Vollstreckungsverfahren für die von der Zwangsvollstreckung betroffenen Personen (§ 760 ZPO).
II. Freiwillige Gerichtsbarkeit:A. bei Glaubhaftmachung eines  berechtigten Interesses (§ 34 FGG), soweit nicht Sonderregelung, z.B. für  Grundbuch und  Handelsregister.
III. Strafprozess:Anspruch auf A. haben u.a.:  Verteidiger (§ 147 StPO) und  Sachverständiger (§ 80 II StPO); bei  Privatklage,  Nebenklage oder für den Verletzten nur durch  Rechtsanwälte (§§ 385, 397, 406e StPO).
IV. Verwaltungsverfahren:Den Beteiligten ist A. zu gewähren, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist (§ 29 VwVfG).
V. Verwaltungsstreitverfahren:A. ist zulässig; auch beigezogene Akten einer Behörde können eingesehen werden, die Behörde darf die Vorlage von Urkunden und Akten nur in Ausnahmefällen verweigern (§§ 99, 100 VwGO).
VI. Finanzgerichtsbarkeit:Die Beteiligten können die Gerichtsakten einsehen, ebenso die dem Gericht vorgelegten Akten, und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen (§ 78 FGO).
- Kein Recht auf A. beim Finanzamt, jedoch kann A. nach pflichtgemäßem Ermessen gestattet werden, sofern dadurch das zugunsten Dritter bestehende  Steuergeheimnis nicht beeinträchtigt wird (AEAO zu § 9 Nr. 4 und zu § 364). Anders dagegen bei Zerlegungsunterlagen; hier können die steuerberechtigten Gemeinden A. und Auskunft über die Zerlegungsgrundlagen verlangen (§ 187 AO;  Zerlegung).
VII. Gewerblicher Rechtsschutz:Schutzrechte setzen der wirtschaftlichen Betätigung Dritter Grenzen, woraus ein erhebliches Interesse, Informationen über Schutzrechte zu erhalten ( Recherche) und Einsicht in die entsprechenden Rollen, Register und Akten zu nehmen, resultiert. Ihm wird durch im Einzelnen unterschiedliche Regelungen Rechnung getragen.
- 1. Markenrecht: a) National: Einsicht in das beim  Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister steht jedermann frei, nach Eintragung der Marke wird auch A. gewährt (§ 62 II, III MarkenG), vor der Eintragung nur, wenn ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird (§ 62 I MarkenG). Gleiches gilt für  geographische Herkunftsangaben und  Ursprungsbezeichnungen.
- b) International: In das beim  Europäischen Markenamt geführte Register für  Gemeinschaftsmarken steht die Einsicht jedermann frei (Art. 83 EG/VO über die Gemeinschaftsmarke (GMVO)). Vor der Eintragung gewährt das Markenamt A., wenn die Anmeldung veröffentlicht ist oder der Antragsteller nachweist, dass der Anmelder ihn nach der Eintragung aus der Gemeinschaftsmarke in Anspruch nehmen will; Teile der Akten können von der A. ausgeschlossen werden. Der Schutz nach dem  Madrider Markenabkommen international registrierter Marken ist in das Markenrecht integriert (§§ 107 ff., 119 ff. MarkenG), die Vorschriften des MarkenG sind entsprechend anzuwenden (§§ 107, 119 MarkenG). Das internationale Büro übermittelt auf Antrag jedermann eine Abschrift der im internationalen Register eingetragenen Angaben. – 2. Geschmacksmuster- und Schriftzeichenrecht: a) National: Ab Bekanntmachung steht die Einsicht in das beim DPMA geführte Musterregister, die Akten und Musterdarstellungen jedermann frei (§ 22 GeschmMG n.F., Art. 2 SchriftzeichenG). Das gilt auch für die im Fall einer Aufschiebung der Bildbekanntmachung beschränkte Eintragung nach § 2 III MusterregVO. Vor der Bekanntmachung wird A. nur mit Einverständnis des Inhabers oder (wenn das Einverständnis nicht oder nur beschränkt erteilt ist) bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses gewährt (§ 22 Nr. 2, 3 GeschmMG n.F., Art. 2 SchriftzeichenG).
- b) International: Über international registrierte Geschmacksmuster und deren Akten erteilt das internationale Büro auf Antrag Auszüge, Kopien und Lichtbilder, gleiches gilt für international hinterlegte typografische Schriftzeichen (Regel 24 AO zum Wiener Abkommen). Für das  Gemeinschaftsgeschmacksmuster gilt, dass nach Bekanntmachung des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters A. auf Antrag gewährt wird (Art. 74 III VO); vor Bekanntmachung ist entweder die Zustimmung des Anmelders/Rechtsinhabers erforderlich (Art. 74 I VO), oder es muss ein legitimes Interesse glaubhaft gemacht werden (Art. 74 II VO). 3. Patent-, Gebrauchsmuster-, Halbleiter- und Sortenschutzrecht: a) National: Einsicht in die beim DPMA geführte  Patentrolle sowie Akten, Modelle und Probestücke erteilter Patente steht jedermann ebenso frei wie die Einsicht in Akten von Beschränkungsverfahren und abgetrennten Teilen eines Patents (§ 31 I 2 PatG). A. in Patentanmeldungen steht jedermann frei, wenn sich der Anmelder gegenüber dem DPMA mit ihr einverstanden erklärt, den Erfinder benannt hat und der Hinweis auf die Möglichkeit der A. im  Patentblatt veröffentlicht ist. Ferner steht die A. jedermann frei, wenn seit dem Anmeldetag 18 Monate verstrichen sind und der Hinweis auf die Möglichkeit der A. im Patentblatt veröffentlicht ist. Besondere Bestimmungen gelten für  Geheimpatente (§ 31 V PatG). Im Übrigen gewähren DPMA,  Bundespatentgerichte (BPatG) und  Bundesgerichtshof (BGH) A. nur, wenn ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Bei Nichtigkeitsakten hat der Patentinhaber Gelegenheit, ein entgegenstehendes Interesse darzulegen. Die Einsicht in die beim DPMA geführte Gebrauchsmusterrolle und Akten eingetragener Gebrauchsmuster einschließlich Löschungsakten steht (abgesehen von  Geheimgebrauchsmustern (§ 9 GebrMG)) jedermann frei. Im Sortenschutzrecht steht jedermann die Einsicht in die beim  Bundessortenamt (BSA) geführte Rolle und die Unterlagen eines erteilten Sortenschutzes einschließlich der Unterlagen des Nachprüfungsanbaus zu (§ 29 I SSchG). Informationen über Erbkomponenten werden auf Antrag als Betriebsgeheimnis geschützt.
- b) International: Einsicht in das beim  Europäischen Patentamt geführte europäische  Patentregister steht jedermann frei (Art. 127 Satz 3 EPÜ), auf Antrag werden Auszüge erteilt (Regel 94 II Satz 2 AO EPÜ). In die Akten veröffentlichter Anmeldungen und erteilter Patente wird auf Antrag Einsicht gewährt, die sich bei Teil- und Nachanmeldungen auch auf die Akten der früheren Anmeldung erstreckt. Ist die Anmeldung noch nicht veröffentlicht, wird A. nur gewährt, wenn der Anmelder zustimmt oder der Antragsteller nachweist, dass sich der Anmelder ihm gegenüber auf die Anmeldung berufen hat. Art und Umfang der A. richten sich nach Regeln 93–95 AO EPÜ. Vor der Veröffentlichung unterliegt die internationale Anmeldung vertraulicher Behandlung durch das internationale Büro, die internationale Recherchebehörde und die nationalen Ämter. Nach der Veröffentlichung steht die A. jedermann frei, vor der Veröffentlichung bedarf sie der Zustimmung des Anmelders, es sei denn, die Anmeldung ist vom Anmelder oder zusammen mit dem internationalen Recherchenbericht den Bestimmungsämtern übermittelt worden. Ist der internationale vorläufige Prüfbericht erstellt, können die ausgewählten Ämter jedermann A. gewähren.

Lexikon der Economics. 2013.

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